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Graubünden ist Holzland, Wald in Hülle und Fülle. Rund wachsen die Stämme in die Höhe, werden gefällt, gesägt und zu quadratischen oder rechteckigen Kuben verbaut. In der Regel. Eine der wenigen Ausnahmen macht der Drechsler. Ob männlich oder weiblich verpasst er dem Holz mit viel Kunstfertigkeit eine sanfte, runde Form.
Kunsthandwerk und insbesondere Drechseln verlangt Übung, jahrelange Tüfteleien und die Fähigkeit, aus Fehlern lernen zu können. Rund 15 Jahre braucht es, so Luisoni, bis man wirklich drechseln kann. Da stecken also viel Wissen und Erfahrung dahinter. Das Wissen um die Materie Holz, aber auch über das Verhalten anderer Materialien wie Knochen und Horn, über die Lagerung, über technische Eigenschaften. Welches Stück eignet sich? Wie ist das Verhalten beim Trocknungsprozess und in der Statik? Wie wird die Maserung beim Endprodukt aussehen? Das Wichtigste für den Drechslermeister aber ist die Suche nach der richtigen Form. Luisonis Erfahrung beruht auf 44 Jahren, in denen er drechselte. Jahre, in denen er sich der Materie verschrieben hat, von der er nicht lassen kann und auch nicht lassen will. Denn Peter Luisoni ist in erster Linie: Lehrer in Klosters. Luisoni lacht. «Die andern sagen zwar, ich sei ein Drechsler, der Schule gibt!» Aber er erhole sich jeweils im einen Beruf vom anderen.
Maschinenkunde, unabdingbar. Wer seine Maschine nicht versteht, wer sie nicht bedienen und nicht reparieren kann, hat verloren. Bei Luisoni sind es unzählige Drechslermaschinen – neuere, ältere und steinalte. Er bezieht sie vorwiegend im Erzgebirge, nimmt sie unter die Lupe, zerlegt sie und setzt sie wieder in betriebstüchtigen Zustand.
Das Holzlager – ein Heustall, aus dem bis vor Kurzem 30 Kühe verköstigt wurden. Darauf lagert Holz in Bretterstapeln und – in Drahtkörben – auf Mass geschnittenes Holz. Es ist im Trocknungsprozess oder wartet auf seine weitere Bearbeitung und Verwendung. 25 Sorten, von Apfel bis Zwetschge, gewimmert, geflammt oder mit Braunkern, alles findet sich hier. Ein Paradies für Kenner. 80 Kubikmeter Holz, vieles aus der näheren Umgebung, anderes aus der restlichen Schweiz – es wird Luisoni durch sein gutes Netzwerk angeboten. Doch auch die Holzauswahl bedingt Kenntnis der Materie, die Suche nach der richtigen Form. Es ist zum Beispiel eine eigene Wissenschaft, Buchsbaum zu trocknen. Das Stirnholz etwa muss mit Wachs bestrichen werden. Dazu muss hie und da ein Ring aus Wachs um den Stamm gelegt werden, das verlangsamt den Trocknungsprozess und verhindert Risse.
Zurück in der Werkstatt, lässt Luisoni die Mottenkugelmaschine laufen. Gestapelte quadratische Engadiner Arvenkanthölzchen, von ihm konfektioniert, zugeschnitten, füttern den Vollautomaten, einen von zweien. In 20 Sekunden entsteht eine Arvenkugel, automatisch. Sie schleifen sich später zusammen mit ein paar hundert anderen in einer Trommel gegenseitig ab und werden auf speziellen Märkten wie dem Weihnachtsmarkt in Einsiedeln verkauft. «Zu Tausenden jährlich», gibt Luisoni zur Auskunft, das Stück für einen Franken. Wird er reich mit Mottenkugeln? Nein. Denn Material, Maschinen, Tüfteleien und der Wiederverkäufer kosten.
Ein gewisser Stolz ist ihm anzumerken, als er einige Neuentwicklungen vorstellt: «Hack-Zack» ist ein halbrundes Messer in einer Holzschale, für Gabi Bieler entwickelt. Luisoni bezeichnet es als «Wursthobel für Vegis». Für Andreas Caminada und einen Messerhersteller kann er den Bündner Nussbaum für die Griffe liefern und Schneidebretter sowie Messerscheiden herstellen.
Luisoni ist praktisch veranlagt, aber kreativ, das beweist auch ein Blick in sein Büro. Da findet sich alles, was nicht zu gross ist. Was zu gross ist, hängt in grosser Anzahl an der Fassade eines Nebenbaus hier in Tersier, Gemeinde Schiers, für alle Vorbeifahrenden einsehbar. Zurück ins Büro. In einer der zwei Glasvitrinen stehen auf einem Tablar vereint unzählige Registerknöpfe für Orgeln, schwarze aus Ebenholz und braune aus Nussbaumwurzel. Und alle mit Knochen- oder Horn-Plattierungen. «In der Kathedrale in Chur befindet sich reformiertes Prättiger Rind auf den Registerknöpfen», sagt Luisoni und lacht herzlich.
In diesen Vitrinen offenbart sich noch einmal Luisonis Suche nach der richtigen Form. Sie birgt eine Kette aus hauchdünnen Eichenhalbschalen, die sich kringelt und in alle Richtungen bewegt, Armbänder aus Minifadenspulen in verschiedenen Holzarten für den keltischen Baumkreis, eine Holzschraube, fünf Millimeter Durchmesser, für einen Hi-Fi-Bauer, Dosen aus Ebenholz mit weissen Filzstreifen, eine Dose aus Holz-Spaghetti, Ringe, Hosenknöpfe, Geigenwirbel für historische Instrumente, Kreisel, Mehl‑, Salz- und Zuckerschäufelchen, Teller, Brotkisten und Christbaumkugeln. Einige dieser Gebrauchsgegenstände verkauft ein Kollege auf Märkten. Luisoni selber hat dazu keine Zeit mehr. Zwischen den Glasvitrinen stehen wunderschöne Schalen aus gewimmertem Spitzahorn und Arve und ganz hinten, ein wenig versteckt, ein rundes Gefäss aus feinjährigster Fichte mit einem Deckel, gehalten durch gekreuzte Lederriemen. Luisoni lacht verschmitzt – «Das ist meine Urne» – sagt’s und begibt sich wieder auf die Suche nach der perfekten Form.